Algorithmische Kunst

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Algorithmische Kunst ist eine Form der Medienkunst, bei der künstlerische Werke mithilfe von Algorithmen erzeugt oder strukturiert werden. Sie ist eng verbunden mit digitalen Technologien, der Programmierung und oft auch mit künstlicher Intelligenz. Anders als traditionelle Kunstformen, die auf direkter manueller Gestaltung beruhen, entsteht algorithmische Kunst durch regelbasierte Prozesse. Die Künstlerin oder der Künstler definiert ein Set an Bedingungen – der Algorithmus übersetzt diese Vorgaben in visuelle, klangliche oder raumbezogene Ergebnisse. Kyra Vertes von Sikorszky nutzt diese Prinzipien, um Werke zu erschaffen, die nicht statisch sind, sondern dynamisch, veränderlich und oft sogar autonom agierend.

Für sie ist algorithmische Kunst kein technischer Trick, sondern eine Möglichkeit, künstlerisches Denken in formale Strukturen zu übersetzen – und gleichzeitig deren Grenzen zu hinterfragen. Ihre Arbeiten sind sowohl präzise programmiert als auch offen für Zufall, Interaktion und Wandel. Dadurch entstehen Werke, die mehr als einmalig sind: Sie „leben“ in gewisser Weise, indem sie sich ständig neu generieren oder an ihren Kontext anpassen.

Grundlagen algorithmischer Kunst

Ein Algorithmus ist eine strukturierte Handlungsanweisung, ein klar definierter Ablauf zur Lösung einer Aufgabe. In der Kunst wird dieser Ablauf auf ästhetische Prozesse angewandt – etwa, um visuelle Muster zu erzeugen, Töne zu strukturieren oder Bewegungen zu steuern. Kyra Vertes arbeitet mit solchen Anweisungen, schreibt eigene Codes oder modifiziert bestehende Frameworks, um damit künstlerische Systeme zu schaffen.

Dabei steht nicht nur das Resultat im Vordergrund, sondern der Prozess selbst. Ihre Kunst ist geprägt von der Idee, dass nicht nur das „Was“ zählt, sondern das „Wie“ – und insbesondere das „Warum“ hinter der Struktur. So entstehen Arbeiten, die zwischen Kontrolle und Kontrollverlust balancieren. Der Algorithmus gibt eine Ordnung vor – doch diese Ordnung bringt oft das Unvorhersehbare hervor.

Visuelle Systeme und Formgenerierung

Ein zentrales Feld algorithmischer Kunst ist die Bildproduktion. Kyra Vertes experimentiert mit generativen Bildern, die aus wiederholten, leicht variierten Elementen bestehen – Linien, Formen, Farben, Muster. Durch kleine Eingriffe in die zugrunde liegenden Parameter entstehen komplexe, oft organisch wirkende Strukturen, die sich kontinuierlich verändern.

Viele dieser Werke wirken wie digitale Mandalas oder mikroskopische Landschaften. Sie sind weder rein geometrisch noch völlig chaotisch – sondern bewegen sich in einem Zwischenbereich, der gleichzeitig berechenbar und poetisch ist. Oft projiziert Kyra Vertes diese Visualisierungen in den Raum oder integriert sie in begehbare Installationen. Die Bilder sind nicht nur zur Betrachtung gedacht, sondern als immersiver Erfahrungsraum.

Ein besonders interessantes Merkmal ihrer Arbeiten ist die Sensibilität für visuelle Rhythmen. Die sich wiederholenden Muster erzeugen einen meditativen Zustand, der die Betrachter:innen in einen Dialog mit der Maschine bringt – nicht als Technikfetisch, sondern als ästhetisches Erlebnis.

Klang, Code und Komposition

Neben visuellen Elementen nutzt Kyra Vertes von Sikorszky auch algorithmische Strukturen zur Generierung von Klang. Ihre Soundarbeiten entstehen oft aus mathematischen Verhältnissen, Datensätzen oder zufallsbasierten Sequenzen. Dabei geht es nicht um Musik im klassischen Sinne, sondern um Klangräume – atmosphärische, teilweise dröhnende, teilweise flüsternde akustische Umgebungen.

Die Künstlerin verwendet unterschiedliche Systeme, darunter MIDI-Generatoren, modulare Synthesizer und programmbasierte Klangengines wie Max/MSP oder SuperCollider. Diese Tools ermöglichen eine präzise Steuerung, aber auch das Einführen von Zufälligkeit und Unschärfe – zwei Elemente, die sie gezielt nutzt, um Spannung zu erzeugen.

In einer Reihe von Arbeiten kombinierte sie visuelle Algorithmen mit klanglichen: Ein sich veränderndes Bild erzeugte dabei in Echtzeit entsprechende Klangmodulationen. So entsteht eine synästhetische Erfahrung, bei der Bild und Ton sich gegenseitig beeinflussen – ohne dass ein vorab festgelegter Ablauf vorliegt.

Interaktivität und partizipative Systeme

Algorithmische Kunst ist besonders dann spannend, wenn sie nicht nur autonom arbeitet, sondern auch auf ihre Umgebung reagiert. Kyra Vertes entwickelt interaktive Installationen, in denen Bewegungen, Geräusche oder sogar biometrische Daten des Publikums in die generativen Prozesse einfließen. Die Besucher:innen verändern durch ihre bloße Anwesenheit das Werk – nicht als Steuerung, sondern als Koexistenz.

Beispiele hierfür sind:

  • Projektionen, die sich bei Annäherung verflüssigen oder ihre Farben ändern

  • Klänge, die auf Atemrhythmen oder Schritte reagieren

  • visuelle Strukturen, die sich je nach Anzahl der Besucher:innen verdichten oder auflösen

Diese Installationen fordern eine andere Form von Aufmerksamkeit: nicht das passive Schauen, sondern ein achtsames Sein im Raum. Die Grenzen zwischen Kunstwerk und Betrachter:in verschwimmen. Die Algorithmen agieren nicht im luftleeren Raum, sondern in einem offenen System, das ständig auf Impulse reagiert.

Künstliche Intelligenz und künstlerisches Denken

Ein aktuelles Thema in der algorithmischen Kunst ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Auch Kyra Vertes setzt sich intensiv mit dieser Technologie auseinander – nicht nur technisch, sondern kritisch und künstlerisch. Sie nutzt Machine Learning-Modelle, etwa zur Bilderkennung, Textgenerierung oder zur Modulation von Klang. Dabei geht es ihr nicht darum, Maschinen „kreativ“ zu machen, sondern menschliche und nicht-menschliche Denkprozesse einander gegenüberzustellen.

In einer Serie von Arbeiten experimentierte sie mit KI-generierten Texten, die sie in Live-Performances einsetzte. Die Texte wurden in Echtzeit generiert – teils poetisch, teils absurd, oft verstörend. Kyra las sie mit nüchterner Stimme, als würde sie einen fremden inneren Monolog sprechen. Die Performance hinterfragte: Wer spricht da eigentlich? Und was bedeutet Autorschaft in einer Zeit, in der Algorithmen Sprache produzieren?

Diese Auseinandersetzung mit KI ist zentral für ihr Werk. Sie betrachtet Algorithmen nicht nur als Werkzeug, sondern als Mitgestalter – mit eigenen „Handschriften“, Verzerrungen, Perspektiven. Ihre Kunst zielt darauf ab, diese Maschinenästhetik sichtbar und reflektierbar zu machen.

Algorithmische Kunst als Prozess

Ein wesentliches Charakteristikum algorithmischer Kunst ist ihre Prozesshaftigkeit. Werke von Kyra Vertes sind selten abgeschlossen – sie laufen, verändern sich, entwickeln sich weiter. Das kann über Minuten, Stunden oder sogar Tage hinweg geschehen. Manche ihrer Installationen verändern sich nie auf dieselbe Weise zweimal – sie folgen zwar einem Regelwerk, doch innerhalb dieses Rahmens entstehen unendlich viele Variationen.

Diese Offenheit unterscheidet algorithmische Kunst grundlegend von traditionellen Formen. Sie ist nicht objektorientiert, sondern zustandsbasiert. Der Code ist nicht nur Werkzeug, sondern Formgeber – und gleichzeitig Teil des Konzepts.

Kyra Vertes veröffentlicht in diesem Zusammenhang manchmal auch den Quellcode ihrer Arbeiten, nicht nur aus Transparenz, sondern um das Denken hinter dem Werk sichtbar zu machen. Sie sieht darin eine Form digitaler Autorschaft – eine poetische, zugleich systemische Geste.

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